„Ostfriesen wünschen abends ,Guten Morgen‘.“ ?
(„am besten Nordwesten“ – Informationen
des FFV Nordsee September 1987)
Heute gibt es ein besonderes Stück Geschichte, die Geschichte eines Wortes, das laut Axel von FFN 1000 Bedeutungen besitzt und jedem verrät, ob man zur Region gehört oder nicht.
Jeder irrt sich mal, auch der Duden.
Im ersten Beitrag vom PlattdüütskBlog, habe ich schon einmal über die Herkunft von moin geschrieben:
"Laut dem Duden stammt moin von dem friesischen mōi bzw. vom mittelniederdeutschen moi(e) ‚schön, angenehm, gut’ ab. Das Friesische bzw. das Mittelniederdeutsche sind vereinfacht gesagt die Vorfahren des heutigen Plattdeutschen. Moin ist also ein altes Wort, dass vom Mittelniederdeutschen an das Plattdeutsche weitergegeben wurde."
Schon zu diesem Zeitpunkt kam mir die Erklärung des Duden zu einfach und zu typisiert vor. So als hätte es sich jemand einfach gemacht. Frei nach dem Motto: „Moin hört sich so ähnlich an wie mōi / moi(e), also müssen die beiden zusammen gehören.“ Einfach kann richtig sein, muss es aber nicht.
Moin: ein friesisches Substrat oder eine Verkürzung?
Der Duden folgt der Hypothese, wonach moin ein Überbleibsel der friesischen Sprache sei, also ein Substrat (Ein Element einer alten Sprache, die auf ihrem Territorium von einer zweiten Sprache überdeckt wurde und anschliessend verschwand, weil sie nicht mehr gebraucht wurde. Die zweite Sprache, in diesem Fall das Mittelniederdeutsche, kann aber einige Wörter der ersten Sprache in seinen Wortschatz aufnehmen.). Es soll ’schön‘ bedeuten und verwandt mit der Niederländischen Sprache sein.
fri. mōi => moi(e) => moin
Neben der Erklärung des Dudens gibt es noch eine andere Hypothese.
Moin sei dadurch entstanden, dass der Satz bzw. der Gruss „Gott geev di en goden mörgen“ immer mehr verkürzt wurde, zuerst zu „(en) goden mörgen“ und anschliessend zu „mörjen“, wobei nicht nur „goden“ wegfiel, sondern auch „g“ zu „j“ wurde. Weil die Verbindung „rj“ schwierig auszusprechen ist, fiel das „r“ im Laufe der Zeit weg, weil es irgendwann nicht mehr ausgesprochen wurde. Die Entwicklung von „mojen“ zu „moin“ sei der letzte Schritt dieser Entwicklung. (Byl 1982)
Gott geev di en goden mörgen => (en) goden mörgen
=> mörgen => mörjen => mojen => moin
Was stimmt nun?
Einiges spricht gegen die erste Theorie.
- Moin ist ein sehr junges Wort. Erste schriftliche Nachweise existieren erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Friesische existiert allerdings seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr. Es ist eher unwahrscheinlich, dass moin mehrere Jahrhundert existierte und genutzt wurde ohne schriftliche Spuren zu hinterlassen.
- Im Gegenzug gibt es aber schriftliche Nachweise für die verschiedenen Entwicklungsstufen, die in der zweiten Hypothese erwähnt werden.
- Das Friesische und das Niederländische sind nicht miteinander verwandt und folglich kann das niederländische Wort für schön (mooi) nicht den gleichen Ursprung haben wie moin. Es stammt viel wahrscheinlicher vom lat. mundus ab und wurde in das Niederländische übernommen.
- Dass die Ostfriesen mooi und nicht wie der Rest Norddeutschlands scheen benutzten, das von *skeun abstammt und auch im Friesischen benutzt wurde um ’schön‘ auszudrucken, liegt daran, dass sie durch die Nähe zu den Niederlanden mooi von Ihnen übernommen haben. Mooi und moin ähneln sich, sind aber nicht miteinander verwandt.
Guten Morgen oder Hallo? Moin oder moin moin?
Wörter verändern im Lauf der Zeit nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihre Bedeutung und ihre Benutzungsweise.
Eine Entwicklung, die jedem Ostfriesen förmlich ins Gesicht springt, ist die Verdopplung zu moin moin, die jeden Touristen als solchen erkennen lässt. Diese Entwicklung entstand aus dem Bedürfnis heraus, die Bedeutung des Grusses zu verstärken, weil er in seiner einfachen Form zu alltäglich geworden war. In Ostfriesland wurde diese Entwicklung nur angenommen, wenn es darum ging Touristen anzusprechen. Viel mehr wurde mit Hilfe von Betonungen und dem Zusatz ja…(moin) oder (moin)…sen dem Bedürfnis nach einer Verstärkung gefolgt. Eine Verdoppelung kam nicht mehr in Frage, da diese von Aussenstehenden, mit denen man nicht verwechselt werden wollte, schon benutzt wurde.
Dadurch, dass moin nur schwer mit seiner ursprünglichen Bedeutung ‚dem Morgen‘ in Verbindung gebracht werden kann, hat sich seine Bedeutung verändert und moin kann heute am ehesten mit ‚hallo‘ übersetzt werden. Eine vergleichbare Entwicklung hat Tschüss durchgemacht, das ursprünglich ‚Sklave‘ bedeutete. (vgl. Byl 1989:16f.)
Wörter genauso wie Sprachen sind lebendig und haben ihre eigene Geschichte. Sie verändern sich, werden selbständig, wandern und oft ist ihre Herkunft nicht auf den ersten Blick erkennbar.
Quellen Byl, Jürgen (1982) Moin! Die lange Erklärung eines kurzen Grußes. In: Ostfriesland, H. 2, S. 32-37. Byl, Jürgen (1989) Nochmals: "Moin-moin!". Der Ostfriesengruß greift weiter um sich. In: Ostfriesland, H. 1, S. 10-18.
Schreibe einen Kommentar